Monte Viso Rundwanderung (03.-06.10.2003)

 

Teilnehmer :


Dietmar Zander

Werner Wilding

Route :

Pian del Re - Ref. Quintino Sella - Passodi S. Chiafredo - Valle Vallanta
- Ref. Vallanta - Passo di Vallanta - Ref. du Mont Viso ( Frankreich )
- Cole della Traversette - Pian del Re.

Links :

http://www.urlaub-piemont.de/

Anfahrt :

Gummiding - München - Innsbruck - Brenner - Verona - Mailand - Turin - Pinerolo - Crissolo ( ca. 9Std. )

1. Tag ( 3 Std. - ohne Anfahrt )

Früh am Morgen starteten Didi und ich von Gungolding aus Richtung Brenner.
Trotz der frühen Stunde waren wir gespannt auf unsere erste gemeinsame Mehrtagestour. Wir brummten über den Brenner Richtung Süden und sammelten bis runter nach Turin fleissig unsere Mautzettelchen. Schließlich gings an Pinerolo vorbei und nach einigen Kilometern hinauf ins Valle Po.
Vorbei an Crissolo, einer kleinen Bergstadt, führte die Straße immer weiter hoch, gegen 14°° kamen wir schließlich am Pian del Re ( 2020m ) an.

Nun standen wir also an der Quelle des Po - in goldenen Letter stand es in einen der Felsbrocken gemeisselt, unter dem sich ein noch etwas zaghaftes Rinnsal seinen Weg talwärts bahnte. Doch schon unten in Crissolo ist es ein ausgewachsener Wildbach.
Nachdem wir uns umgezogen hatten machten wir uns auf den Weg. Die Wettervorhersagen waren nicht besonders gut und die Wolkendecke ließ nun auch keinen Sonnenstrahl mehr durch.
Der Monte Viso (3841m) stand als eindrucksvolle Pyramide vor uns und spiegelte sich an der glatten Oberfläche des Lago Fiorenza wider.
An ihm vorbei folgten wir dem Wanderweg "Giro di Viso" ( V13 ). Es ging eine Anhöhe hinauf, von der aus man einen sehr schönen Blick zurück auf Pian del Re und die etwas unter uns liegenden Seen hatte.

Vor uns lag nun eine recht schroffe Landschaft. Auf der rechten Seite die Ausläufer des Monte Viso, die bereits hier steil nach oben führten.
Linkerhand der Blick runter Richtung Crissolo und in die (meist) dunstige
Po - Ebene.
Ein kleines Stück weiter oben kamen uns zwei Touristen entgegen die augenscheinlich Probleme hatten - einer der beiden hielt sich ein Taschentuch auf eine blutende Platzwunde am Kopf. Hilfe hatten wir ihnen zwar angeboten, aber sie hatten es sehr eilig nach unten zu kommen und verzichteten auf unsere Mullbinden und Pflaster. Didi und ich sahen uns verwundert an, setzten aber unseren Weg fort.
An einem kleinen See trafen wir etwas später einen einheimischen Schäfer und seine Frau. Wir grüßten und wurden gleich zu einer guten Jause eingeladen. Obwohl wir keine zehn Wörter italienisch sprechen (Didi und ich zusammengenommen) war's eine lustige Begegnung die in drei bis vier Sprachen - auch unter Zuhilfenahme von Händen und Füßen - geführt wurde.
Gekrönt wurde unser Zusammentreffen mit gutem, selbstgemachten Schafskäse und einem kräftigen Schluck aus der Rotweinflasche. Die Leute im Piemont haben eben Stil - auch über 2000m.

Nun gings an den schwierigsten Abschnitt für diesen Tag - vor uns lag, steil aufragend, eine riesige Schutthalde - der Cole de Viso (2650m). Generell waren ab hier die Wege mit Vorsicht zu genießen, weils durchwegs nur über Geröll und Steinplatten ging.
Bei unserem Tempo kamen wir aber relativ schnell durch diesen Anstieg, wenn auch ein wenig ausser Puste.
Links von uns lag nun der Viso Mozzo (3100m), eine flach ansteigende Kuppe von der aus man bestimmt einen guten Blick auf den Monte Viso haben würde.
Allerdings hatten wir da weniger Glück. Kaum hatten wir die Anhöhe geschafft trieb auch schon ein Grauppelschauer seine spitzen Eiskristalle in unser Gesicht.
Wir legten noch einen Gang zu und erreichten nach ca. 3 Stunden unser Etappenziel, das Refugio Quintino Sella (2640m).

Wir hatten Glück mit der Unterbringung, die Hütte hatte die letzte Nacht geöffnet und Lagerplätze gab's auch noch genügend.
Wir wußten aber schon vor Beginn unserer Tour, dass wir für den Rest der Route auf Winterräume angewiesen sein würden.
Nach einer kräftigen Mahlzeit wurden wir noch Zeugen eines fast unwirklichen Naturschauspiels - die Südseite der Hütte lag fast schon an einem Steilhang und unter uns streckte sich die Po - Ebene Richtung Genua aus.
Und da, tief unten im Tal, tobte ein Gewitter. Da die Wolken unter uns lagen, konnten wir zum ersten Mal ein Unwetter von oben beobachten. Verschärft wurde dieser Augenblick dadurch, dass über uns der Vollmond in einer sternklaren Nacht strahlte und vor uns über dem Lichtermeer einiger Städte südlich von Cuneo die Blitze in alle Richtungen zuckten..
Nur der Monviso behielt seine weisse Schlafmütze auf und bedeckte beharrilch seinen Gipfel.

2. Tag ( 7 Std.)

Die Nacht im Lager war grausam - innerhalb kurzer Zeit kam ein Schneesturm auf. Die Hütte stand relativ frei auf dem kleinen Plateau, entsprechend heftig heulte der Sturm durch alle Ritzen und Winkel. Schlimm war allerdings ein loser Fensterladen, der irgendwo an der Hütte vor sich hinknallte. An Schlaf war nicht zu denken.

Der nächste Morgen schien wie eine Entschuldigung für die turbulente Nacht zu sein - Bei strahlendem Sonnenschein lag die frisch verschneite Bergwelt der Kottischen Alpen vor uns. Vorbei am Lago Grande di Viso suchten wir unseren Weg durch die dünne Schneeschicht. Unser erstes Ziel auf dem Weg zum Refugio Vallanta war der Passo Gallerino (2727m). Der Wind blies uns mittlereile schon wieder etwas kräftiger ins Gesicht. Nach etwas mehr als einer Stunde hatten wir den Pass schließlich erreicht. Einmal mehr konnten wir hier die eigentümliche Gegensätzlichkeit dieser Landschaft erleben : Die zerklüfteten Bergflanken und Hochtäler mit dem alles überragenden Monviso und die Ebene südlich von uns, die
in Richtung Genua dem Meer zustrebt.

Der Weg zum Passo di S. Chiafredo (2764m) glich eher einem Spaziergang in einer Mondlandschaft - am Pass selbst wurden wir aber von einem anderen Anblick überrascht. Rund um einen kleinen See standen tausende von Stoamandln in allen Größen - unglaublich - wir tauften dann dieses Fleckchen auf den Namen "Valle Stoamandla" , bauten auch noch ein kleines dazu und machten uns an den Abstieg ins Valle Vallanta. Später sollte uns der Nutzen dieser kleinen steineren Wegweiser noch deutlich vor Augen geführt werden.

Das erste Teilstück des Abstieges hatte es in sich. Eigentlich wars eine steile Felsrinne durch die wir abstiegen. Es dauerte eine ganze Weile bis wir die Baumgrenze erreicht hatten.
Das verschaffte uns etwas Erholung - weiter oben holte uns wieder der Grauppelschauer ein und trieb uns wieder seine Nadeln ins Gesicht.
Der weitere, nicht minder steile Abstieg führte dann durch einen Kiefernwald.
Aufgelockert durch einige kleine Plateaus führte der Weg schließlich zu einer Alm
- Grange Gheit (1912m).
Eine alte Holzbrücke führte über einen Bach an dem die Reste einiger alter Almhütten standen. Die einzige Hütte, die allem Anschein nach noch hin und wieder benutzt wurde, war teilweise unter einem riesigen Felsblock errichtet worden.
Hier schlugen Didi und ich unser Mittagslager auf. Unglaublich wie gut Packerlsuppe und Müsliriegel schmecken können. Da vergißt man das Gewicht des Gaskochers im Rucksack für einen Moment.

Nach einer Stunde entschlossen wir uns zum Aufbruch, der weitere Weg war zwar nicht mehr sehr schwierig, wir wußten aber nicht wie sich das Wetter entwickeln würde.
Der Wind nahm weiter zu und die Wolken ließen immer weniger blau durchscheinen.
Wie am Vortag trafen wir im mittleren Abschnitt zwei weitere Wanderer. Der Ausrüstung nach zu urteilen waren die Beiden zu einer Klettertour aufgebrochen.
Rund um den Monte Viso gibt's dazu auch reichlich Möglichkeiten.

Zum Glück sprachen beide englisch und wir konnten uns ein wenig unterhalten.
Auch unsere neuen Kameraden wollten im Winterraum des
Rifugio Vallanta (2450m) übernachten. Didi und ich setzten unseren Weg fort. Als wir am Rifugio ankamen sahen wir die beiden noch in einiger Entfernung hinter uns.
Das Gebäude ( Hütte wäre absolut untertrieben ) war für uns ein architektonisches Aha - Erlebnis. Erbaut aus Naturstein ließ die bizarre Dachkonstruktion das Gebäude aus jedem Blickwinkel anders aussehen.
Der Winteraum, erreichbar über eine außenliegende Wendeltreppe, überraschte uns durch eine Lichtwand, erbaut aus Glasziegeln und Schlafkojen die in sich verschachtelt in die Dachschrägen eingepaßt waren. Es erinnerte etwas an ein Klettergerüst am Spielplatz, bot aber Platz für ca. 60 Personen.

Als unsere neuen Bekannten eintrafen, machten wir uns gleich gemeinsam ans Abendessen. Wir hatten ja schon einiges an Proviant dabei, was die beiden aber aus ihren Rucksäcken zauberten war fast unglaublich. Nach dem Essen machte ich mich daran aus dem See neben der Hütte unsere Wasservorräte aufzufüllen.
Das wäre meinen Händen bald zum Verhängnis geworden.
Der Wind nahm weiter zu und erreichte schon fast wieder die Stärke vom Vortag.
Als ich am Ufer stand und die Flaschen füllte sah die Wasseroberfläche fast wie Gelatine aus. Mit meinen nassen, halb erfrorenen Händen schaffte ich es nicht mehr in meine Handschuhe zu schlüpfen. Mit nassen Händen und den Flaschen im Arm stapfte ich die hundert Meter zur Hütte hoch. Der eisige Wind machte meine Finger taub und gefühllos.
Als ich den Winterraum über die Wendeltreppe endlich erreicht hatte wandelte sich dieses undefinierbare Gefühl in einen brutalen, stechenden Schmerz.
Erst nach einigen Minuten konnte ich mich wieder aufrappeln, über meine Leichtsinnigkeit haderte ich aber noch eine ganze Weile.
Diesmal hatten wir mit dem Schlafen keine Probleme - die Höhenmeter der beiden letzten Tage und die vorangegengene Nacht hatten ihre Spuren hinterlassen.

3. Tag (9 Std.)

Früh am Morgen packten wir unsere Sachen und machten uns auf den Weg zum Passo di Vallanta. Unsere italienischen Freunde schlummerten noch friedlich in ihren Lagern als wir dem schmalen Steig nach oben folgten. Der Himmel war wie jeden Morgen strahlend blau und die Sonne tauchte die umliegenden Gipfel in einen sanften Rotton.
Der Steig führte entlang der südlichen Bergflanke nach oben, wurde aber bald mehr und mehr von Schnee überzogen. Zum Glück war die Schneedecke nur einige Zentimeter dick. Da aber immer wieder schräg liegende Steinplatten darunter verborgen lagen war es nicht ganz ungefährlich. Der Weg zeichnete sich noch einigermaßen gut unter der Schneedecke ab, deshalb war die Orientierung kein großes Problem obwohl die Farbmarkierungen fast alle unter dem Schnee verborgen waren.
Aber wir hatten von hier aus einen guten Blick auf den Monviso und seine kleineren, auf der Nordseite liegenden Brüder.

Nach fast zwei Stunden hatten wir den Cole di Vallanta (2834m) erreicht.
Auf der Paßhöhe markierte eine Reihe von Stoamandla die
französisch - italienische Grenze. Der Blick auf unser nächstes Etappenziel, das französische Rifugeu de Viso, ließ uns nicht mehr los. Die französischen Gipfel und Gletscher der Westalpen leuchteten uns in strahlendem weiß entgegen.
Allerdings sah der Weg hinunter in das Hochtal alles andere als beglückend aus.
Ein verschneites Geröllfeld, das vom Cole de Vallanta bis hinunter zu einem Bach im franz. Valbrie reichte - etwa 500 Höhenmeter. Von dort aus führte der Weg in einem flachen Anstieg hinauf zum Ref. de Viso.

Ohne die steinernen Markierungen, die glücklicherweise gerade noch ausreichend nah aneinander aufgebaut waren, hätten wir wohl mehrere Stunden gebraucht um es mit heilen Knochen durch das verschneite Geröllfeld nach unten zu schaffen.
Aber auch so mußten wir uns im Schleichgang talwärts bewegen, denn die wackeligen Steinplatten unter dem Schnee waren extrem gefährlich. Ein verknackster Knöchel hätte in dieser Abgeschiedenheit fatale Folgen gehabt.
Sehr viel später erreichten wir dann die schneefreie Zone unten am Bach.
Nun gings mit neuem Schwung den kurzen Anstieg hinauf zum Rif. de Viso (2460m).

Dort angekommen hatten wir den wohl besten Blick auf den "Monte", den wir
während der ganzen Tour erleben durften.
Nach dem Mittagessen verwarfen wir unseren ursprünglichen Plan hier im winterraum zu übernachten. Es war erst Mittag und nach der Suppe fühlten wir uns wieder richtig fit. Wir beschlossen die Tour heute zu Ende zu bringen.
Kurze Zeit später waren wir dann auch schon wieder unterwegs. Der Weg hinauf zum Cole de Traversette (2950m), dem höchsten Punkt unserer Tour, sollte sich aber noch hinziehen.

Das erste Teilstück war noch relativ harmlos, aber bald ging der Weg vorbei an vereisten Bächen und führte in teilweise recht steilen Serpentinen hoch zu den terassenförmigen Geländeformationen. Die Landschaft wurde immer karger und wurde schließlich zu einem einzigen Schuttkegel, der sich unterhalb des Gebirgszuges gebildet hatte. Der Steig führte zwar stetig nach oben, wechselte aber immer wieder zwischen Bergauf - und Bergabpassagen.
Beim letzten Anstieg unterhalb des Passes mußte ich deshalb schon an meine Reserven gehen.
Hier war der Weg wieder vollkommen zugeschneit und führte in steilen Serpentinen nach oben. Die Anstrengungen der letzten beiden Tage hatten ihren Tribut gefordert - der Wind und die schweissnassen Klamotten zehrten hart an den Kräften.
Unsere Absicht war es eigentlich den 3000er voll zu machen und einen der "kleinen" Gipfel neben der Traversette mitzunehmen.
Als wir nun aber am Paß standen, der Wind durch unsere Jacken blies und wir wieder das Pian del Re und die Poebene erblickten, verwarfen wir diesen Gedanken wieder.
Wir suchten nun nach einer geschützten Stelle für eine kleine Verschnaufpause.

Der Weg hinunter war alles andere als einfach. Er führte an einem sehr schmalen Grat entlang nach unten, die Schneeauflage war nun doch deutlich höher als auf der Südseite. Unter sommerlichen Bedingungen dürfte dieser Weg zwar aufgrund der steil abfallenden Bergflanke auch ein leichtes Prickeln im Bauch verursachen, aber kein echtes Problem für einen durchschnittlichen Trekker darstellen.
Wir versanken aber teilweise bis zu den Knien im Schnee. Mit aller gebotenen Vorsicht bewegten wir uns nach unten.
Als wir in etwas flacherem Gelände waren, fiel uns ein eigenartiges Gebäude auf.
Zu sehen war von oben nur ein offensichtlich betoniertes Flachdach. Es stellte sich letztlich als alter Bunker heraus. Mittlerweile hatte eine Steinbockfamilie
davon Besitz ergriffen. Durch unsere Anwesenheit ließen sie sich nicht im Geringsten beunruhigen.
Dieser Bunker gehörte wohl einmal zu einer ganzen Verteidigungsanlage, die von diesem Standpunkt aus ganz gut zu sehen war. Unterhalb des Bunkers lagen zahlreiche Stacheldrahtrollen im Gelände verteilt und oberhalb von Pin del Re erhob sich ein ganzer Komplex von Bunkerkuppeln.

Die Route führte hinunter in eine Hochebene auf der teilweise haushohe Felsblöcke wie Murmeln verteilt lagen.
Da wir uns ja mittlerweile an den losen Untergrund gewohnt hatten bewegten wir uns geradezu leichtfüßig zwischen diesen Blöcken.
Immer näher kamen wir unserem Ziel, mittlerweile konnten wir sogar schon unser Auto als roten Fleck erkennen. Der Weg wollte nun kein Ende mehr nehmen, im unteren Teil ähnelte er schon mehr einem ausgetrockneten Bachbett (was im Frühjahr vermutlich auch der Fall sein würde ).
Ziemlich ausgelaugt erreichten wir schließlich unser Ziel !
Wir waren uns schnell einig - das Wichtigste für einen sauberen Abschluß der Tour würden eine Dusche und ein warmes Essen sein.
Beides fanden wir schließlich in Crissolo in Form einer gemütlichen Albergo.
Das wunderbare, piemontesische Essen sorgte schließlich für den kulinarischen Höhepunkt unseres alpinistischen Abenteuers.

4. Tag :

Die Rückreise führte nicht nur von Italien zurück nach Deutschland, sondern auch von Schnee und Eis zurück in herbstlich warme Gefilde. Die Bilder könnten gegensätlicher nicht sein - gestern noch zitternd auf dem Cole de Traversette und nun saßen wir im T-Shirt am Ufer des Gardasees und genossen unsere
Pizza - dolce vita !