Pian del Re - Ref. Quintino Sella - Passodi S. Chiafredo - Valle
Vallanta
- Ref. Vallanta - Passo di Vallanta - Ref. du Mont Viso ( Frankreich
)
- Cole della Traversette - Pian del Re.
Früh am Morgen starteten Didi und ich von Gungolding aus Richtung
Brenner.
Trotz der frühen Stunde waren wir gespannt auf unsere erste gemeinsame
Mehrtagestour. Wir brummten über den Brenner Richtung Süden
und sammelten bis runter nach Turin fleissig unsere Mautzettelchen.
Schließlich gings an Pinerolo vorbei und nach einigen Kilometern
hinauf ins Valle Po.
Vorbei an Crissolo, einer kleinen Bergstadt, führte die Straße
immer weiter hoch, gegen 14°° kamen wir schließlich
am Pian
del Re ( 2020m ) an.
Nun standen wir also an der Quelle des Po - in goldenen Letter stand
es in einen der Felsbrocken gemeisselt, unter dem sich ein noch etwas
zaghaftes Rinnsal seinen Weg talwärts bahnte. Doch schon unten
in Crissolo ist es ein ausgewachsener Wildbach.
Nachdem wir uns umgezogen hatten machten wir uns auf den Weg. Die
Wettervorhersagen waren nicht besonders gut und die Wolkendecke ließ
nun auch keinen Sonnenstrahl mehr durch.
Der Monte Viso (3841m) stand als eindrucksvolle Pyramide vor uns und
spiegelte sich an der glatten Oberfläche des Lago
Fiorenza wider.
An ihm vorbei folgten wir dem Wanderweg "Giro di Viso" (
V13 ). Es ging eine Anhöhe hinauf, von der aus man einen sehr
schönen Blick zurück auf Pian del Re und die etwas unter
uns liegenden Seen hatte.
Vor uns lag nun eine recht schroffe Landschaft. Auf der rechten Seite
die Ausläufer des Monte Viso, die bereits hier steil nach oben
führten.
Linkerhand der Blick runter Richtung Crissolo und in die (meist) dunstige
Po - Ebene.
Ein kleines Stück weiter oben kamen uns zwei Touristen entgegen
die augenscheinlich Probleme hatten - einer der beiden hielt sich
ein Taschentuch auf eine blutende Platzwunde am Kopf. Hilfe hatten
wir ihnen zwar angeboten, aber sie hatten es sehr eilig nach unten
zu kommen und verzichteten auf unsere Mullbinden und Pflaster. Didi
und ich sahen uns verwundert an, setzten aber unseren Weg fort.
An einem kleinen See trafen wir etwas später einen einheimischen
Schäfer und seine Frau. Wir grüßten und wurden gleich
zu einer guten Jause eingeladen. Obwohl wir keine zehn Wörter
italienisch sprechen (Didi und ich zusammengenommen) war's eine lustige
Begegnung die in drei bis vier Sprachen - auch unter Zuhilfenahme
von Händen und Füßen - geführt wurde.
Gekrönt wurde unser Zusammentreffen mit gutem, selbstgemachten
Schafskäse und einem kräftigen Schluck aus der Rotweinflasche.
Die Leute im Piemont haben eben Stil - auch über 2000m.
Nun gings an den schwierigsten Abschnitt für diesen Tag - vor
uns lag, steil aufragend, eine riesige Schutthalde - der Cole de Viso
(2650m). Generell waren ab hier die Wege mit Vorsicht zu genießen,
weils durchwegs nur über Geröll und Steinplatten ging.
Bei unserem Tempo kamen wir aber relativ schnell durch diesen Anstieg,
wenn auch ein wenig ausser Puste.
Links von uns lag nun der Viso Mozzo (3100m), eine flach ansteigende
Kuppe von der aus man bestimmt einen guten Blick auf den Monte Viso
haben würde.
Allerdings hatten wir da weniger Glück. Kaum hatten wir die Anhöhe
geschafft trieb auch schon ein Grauppelschauer seine spitzen Eiskristalle
in unser Gesicht.
Wir legten noch einen Gang zu und erreichten nach ca. 3 Stunden unser
Etappenziel, das Refugio Quintino Sella (2640m).
Wir hatten Glück mit der Unterbringung, die Hütte hatte
die letzte Nacht geöffnet und Lagerplätze gab's auch noch
genügend.
Wir wußten aber schon vor Beginn unserer Tour, dass wir für
den Rest der Route auf Winterräume angewiesen sein würden.
Nach einer kräftigen Mahlzeit wurden wir noch Zeugen eines fast
unwirklichen Naturschauspiels - die Südseite der Hütte lag
fast schon an einem Steilhang und unter uns streckte sich die Po -
Ebene Richtung Genua aus.
Und da, tief unten im Tal, tobte ein Gewitter.
Da die Wolken unter uns lagen, konnten wir zum ersten Mal ein Unwetter
von oben beobachten. Verschärft wurde dieser Augenblick dadurch,
dass über uns der Vollmond in einer sternklaren Nacht strahlte
und vor uns über dem Lichtermeer einiger Städte südlich
von Cuneo die Blitze in alle Richtungen zuckten..
Nur der Monviso behielt seine weisse Schlafmütze auf und bedeckte
beharrilch seinen Gipfel.
2. Tag ( 7 Std.)
Die Nacht im Lager war grausam - innerhalb kurzer Zeit kam ein Schneesturm
auf. Die Hütte stand relativ frei auf dem kleinen Plateau, entsprechend
heftig heulte der Sturm durch alle Ritzen und Winkel. Schlimm war
allerdings ein loser Fensterladen, der irgendwo an der Hütte
vor sich hinknallte. An Schlaf war nicht zu denken.
Der nächste Morgen schien wie eine Entschuldigung für die
turbulente Nacht zu sein - Bei strahlendem Sonnenschein lag die frisch
verschneite Bergwelt der Kottischen Alpen vor uns. Vorbei am Lago
Grande di Viso suchten wir unseren Weg durch die dünne Schneeschicht.
Unser erstes Ziel auf dem Weg zum Refugio Vallanta war der Passo
Gallerino (2727m). Der Wind blies uns mittlereile schon
wieder etwas kräftiger ins Gesicht. Nach etwas mehr als einer
Stunde hatten wir den Pass schließlich erreicht. Einmal mehr
konnten wir hier die eigentümliche Gegensätzlichkeit dieser
Landschaft erleben : Die zerklüfteten Bergflanken und Hochtäler
mit dem alles überragenden Monviso und die Ebene südlich
von uns, die
in Richtung Genua dem Meer zustrebt.
Der Weg zum Passo
di S. Chiafredo (2764m) glich eher einem Spaziergang in
einer Mondlandschaft - am Pass selbst wurden wir aber von einem anderen
Anblick überrascht. Rund um einen kleinen See standen tausende
von Stoamandln in allen Größen - unglaublich - wir tauften
dann dieses Fleckchen auf den Namen "Valle
Stoamandla" , bauten auch noch ein kleines dazu und
machten uns an den Abstieg ins Valle Vallanta. Später sollte
uns der Nutzen dieser kleinen steineren Wegweiser noch deutlich vor
Augen geführt werden.
Das erste Teilstück des Abstieges hatte es in sich. Eigentlich
wars eine steile Felsrinne durch die wir abstiegen. Es dauerte eine
ganze Weile bis wir die Baumgrenze erreicht hatten.
Das verschaffte uns etwas Erholung - weiter oben holte uns wieder
der Grauppelschauer ein und trieb uns wieder seine Nadeln ins Gesicht.
Der weitere, nicht minder steile Abstieg führte dann durch einen
Kiefernwald.
Aufgelockert durch einige kleine Plateaus führte der Weg schließlich
zu einer Alm
- Grange
Gheit (1912m).
Eine alte Holzbrücke führte über einen Bach an dem
die Reste einiger alter Almhütten standen. Die einzige Hütte,
die allem Anschein nach noch hin und wieder benutzt wurde, war teilweise
unter einem riesigen
Felsblock errichtet worden.
Hier schlugen Didi und ich unser Mittagslager auf. Unglaublich wie
gut Packerlsuppe und Müsliriegel schmecken können. Da vergißt
man das Gewicht des Gaskochers im Rucksack für einen Moment.
Nach einer Stunde entschlossen wir uns zum Aufbruch, der weitere
Weg war zwar nicht mehr sehr schwierig, wir wußten aber nicht
wie sich das Wetter entwickeln würde.
Der Wind nahm weiter zu und die Wolken ließen immer weniger
blau durchscheinen.
Wie am Vortag trafen wir im mittleren Abschnitt zwei weitere Wanderer.
Der Ausrüstung nach zu urteilen waren die Beiden zu einer Klettertour
aufgebrochen.
Rund um den Monte Viso gibt's dazu auch reichlich Möglichkeiten.
Zum Glück sprachen beide englisch und wir konnten uns ein wenig
unterhalten.
Auch unsere neuen Kameraden wollten im Winterraum des Rifugio
Vallanta (2450m) übernachten. Didi und ich setzten
unseren Weg fort. Als wir am Rifugio ankamen sahen wir die beiden
noch in einiger Entfernung hinter uns.
Das Gebäude ( Hütte wäre absolut untertrieben ) war
für uns ein architektonisches Aha - Erlebnis. Erbaut aus Naturstein
ließ die bizarre Dachkonstruktion das Gebäude aus jedem
Blickwinkel anders aussehen.
Der Winteraum, erreichbar über eine außenliegende Wendeltreppe,
überraschte uns durch eine Lichtwand, erbaut aus Glasziegeln
und Schlafkojen die in sich verschachtelt in die Dachschrägen
eingepaßt waren. Es erinnerte etwas an ein Klettergerüst
am Spielplatz, bot aber Platz für ca. 60 Personen.
Als unsere neuen Bekannten eintrafen, machten wir uns gleich gemeinsam
ans Abendessen. Wir hatten ja schon einiges an Proviant dabei, was
die beiden aber aus ihren Rucksäcken zauberten war fast unglaublich.
Nach dem Essen machte ich mich daran aus dem See neben der Hütte
unsere Wasservorräte aufzufüllen.
Das wäre meinen Händen bald zum Verhängnis geworden.
Der Wind nahm weiter zu und erreichte schon fast wieder die Stärke
vom Vortag.
Als ich am Ufer stand und die Flaschen füllte sah die Wasseroberfläche
fast wie Gelatine aus. Mit meinen nassen, halb erfrorenen Händen
schaffte ich es nicht mehr in meine Handschuhe zu schlüpfen.
Mit nassen Händen und den Flaschen im Arm stapfte ich die hundert
Meter zur Hütte hoch. Der eisige Wind machte meine Finger taub
und gefühllos.
Als ich den Winterraum über die Wendeltreppe endlich erreicht
hatte wandelte sich dieses undefinierbare Gefühl in einen brutalen,
stechenden Schmerz.
Erst nach einigen Minuten konnte ich mich wieder aufrappeln, über
meine Leichtsinnigkeit haderte ich aber noch eine ganze Weile.
Diesmal hatten wir mit dem Schlafen keine Probleme - die Höhenmeter
der beiden letzten Tage und die vorangegengene Nacht hatten ihre Spuren
hinterlassen.
3. Tag (9 Std.)
Früh am Morgen packten wir unsere Sachen und machten uns auf
den Weg zum Passo di Vallanta. Unsere italienischen Freunde schlummerten
noch friedlich in ihren Lagern als wir dem schmalen Steig nach oben
folgten. Der Himmel war wie jeden Morgen strahlend blau und die Sonne
tauchte die umliegenden
Gipfel in einen sanften Rotton.
Der Steig führte entlang der südlichen Bergflanke nach oben,
wurde aber bald mehr und mehr von Schnee überzogen. Zum Glück
war die Schneedecke nur einige Zentimeter dick. Da aber immer wieder
schräg liegende Steinplatten darunter verborgen lagen war es
nicht ganz ungefährlich. Der Weg zeichnete sich noch einigermaßen
gut unter der Schneedecke ab, deshalb war die Orientierung kein großes
Problem obwohl die Farbmarkierungen fast alle unter dem Schnee verborgen
waren.
Aber wir hatten von hier aus einen guten Blick auf den Monviso und
seine kleineren, auf der Nordseite liegenden Brüder.
Nach fast zwei Stunden hatten wir den Cole
di Vallanta (2834m) erreicht.
Auf der Paßhöhe markierte eine Reihe von Stoamandla die
französisch - italienische Grenze. Der Blick auf unser nächstes
Etappenziel, das französische Rifugeu de Viso, ließ uns
nicht mehr los. Die französischen Gipfel und Gletscher der Westalpen
leuchteten uns in strahlendem weiß entgegen.
Allerdings sah der Weg hinunter in das Hochtal alles andere als beglückend
aus.
Ein verschneites Geröllfeld,
das vom Cole de Vallanta bis hinunter zu einem Bach im franz. Valbrie
reichte - etwa 500 Höhenmeter. Von dort aus führte der Weg
in einem flachen Anstieg hinauf zum Ref. de Viso.
Ohne die steinernen Markierungen, die glücklicherweise gerade
noch ausreichend nah aneinander aufgebaut waren, hätten wir wohl
mehrere Stunden gebraucht um es mit heilen Knochen durch das verschneite
Geröllfeld nach unten zu schaffen.
Aber auch so mußten wir uns im Schleichgang talwärts bewegen,
denn die wackeligen Steinplatten unter dem Schnee waren extrem gefährlich.
Ein verknackster Knöchel hätte in dieser Abgeschiedenheit
fatale Folgen gehabt.
Sehr viel später erreichten wir dann die schneefreie Zone unten
am Bach.
Nun gings mit neuem Schwung den kurzen Anstieg hinauf zum Rif.
de Viso (2460m).
Dort angekommen hatten wir den wohl besten Blick
auf den "Monte", den wir
während der ganzen Tour erleben durften.
Nach dem Mittagessen verwarfen wir unseren ursprünglichen Plan
hier im winterraum zu übernachten. Es war erst Mittag und nach
der Suppe fühlten wir uns wieder richtig fit. Wir beschlossen
die Tour heute zu Ende zu bringen.
Kurze Zeit später waren wir dann auch schon wieder unterwegs.
Der Weg hinauf zum Cole de Traversette (2950m), dem höchsten
Punkt unserer Tour, sollte sich aber noch hinziehen.
Das erste Teilstück war noch relativ harmlos, aber bald ging
der Weg vorbei an vereisten Bächen und führte in teilweise
recht steilen Serpentinen hoch zu den terassenförmigen Geländeformationen.
Die Landschaft wurde immer karger und wurde schließlich zu einem
einzigen Schuttkegel,
der sich unterhalb des Gebirgszuges gebildet hatte. Der Steig führte
zwar stetig nach oben, wechselte aber immer wieder zwischen Bergauf
- und Bergabpassagen.
Beim letzten Anstieg unterhalb des Passes mußte ich deshalb
schon an meine Reserven gehen.
Hier war der Weg wieder vollkommen zugeschneit und führte in
steilen Serpentinen nach oben. Die Anstrengungen der letzten beiden
Tage hatten ihren Tribut gefordert - der Wind und die schweissnassen
Klamotten zehrten hart an den Kräften.
Unsere Absicht war es eigentlich den 3000er voll zu machen und einen
der "kleinen" Gipfel neben der Traversette mitzunehmen.
Als wir nun aber am Paß
standen, der Wind durch unsere Jacken blies und wir wieder das Pian
del Re und die Poebene erblickten, verwarfen wir diesen Gedanken wieder.
Wir suchten nun nach einer geschützten Stelle für eine kleine
Verschnaufpause.
Der Weg hinunter war alles andere als einfach. Er führte an
einem sehr schmalen Grat entlang nach unten, die Schneeauflage war
nun doch deutlich höher als auf der Südseite. Unter sommerlichen
Bedingungen dürfte dieser Weg zwar aufgrund der steil abfallenden
Bergflanke
auch ein leichtes Prickeln im Bauch verursachen, aber kein echtes
Problem für einen durchschnittlichen Trekker darstellen.
Wir versanken aber teilweise bis zu den Knien im Schnee. Mit aller
gebotenen Vorsicht bewegten wir uns nach unten.
Als wir in etwas flacherem Gelände waren, fiel uns ein eigenartiges
Gebäude auf.
Zu sehen war von oben nur ein offensichtlich betoniertes Flachdach.
Es stellte sich letztlich als alter Bunker heraus. Mittlerweile hatte
eine Steinbockfamilie
davon Besitz ergriffen. Durch unsere Anwesenheit ließen sie
sich nicht im Geringsten beunruhigen.
Dieser Bunker gehörte wohl einmal zu einer ganzen Verteidigungsanlage,
die von diesem Standpunkt aus ganz gut zu sehen war. Unterhalb des
Bunkers lagen zahlreiche Stacheldrahtrollen im Gelände verteilt
und oberhalb von Pin del Re erhob sich ein ganzer Komplex von Bunkerkuppeln.
Die Route führte hinunter in eine Hochebene auf der teilweise
haushohe Felsblöcke wie Murmeln verteilt lagen.
Da wir uns ja mittlerweile an den losen Untergrund gewohnt hatten
bewegten wir uns geradezu leichtfüßig zwischen diesen Blöcken.
Immer näher kamen wir unserem Ziel, mittlerweile konnten wir
sogar schon unser Auto als roten Fleck erkennen. Der Weg wollte nun
kein Ende mehr nehmen, im unteren Teil ähnelte er schon mehr
einem ausgetrockneten Bachbett (was im Frühjahr vermutlich auch
der Fall sein würde ).
Ziemlich ausgelaugt erreichten wir schließlich unser Ziel
!
Wir waren uns schnell einig - das Wichtigste für einen sauberen
Abschluß der Tour würden eine Dusche und ein warmes Essen
sein.
Beides fanden wir schließlich in Crissolo in Form einer gemütlichen
Albergo.
Das wunderbare, piemontesische Essen sorgte schließlich für
den kulinarischen Höhepunkt unseres alpinistischen Abenteuers.
4. Tag :
Die Rückreise führte nicht nur von Italien zurück
nach Deutschland, sondern auch von Schnee und Eis zurück in herbstlich
warme Gefilde. Die Bilder könnten gegensätlicher nicht sein
- gestern noch zitternd auf dem Cole de Traversette und nun saßen
wir im T-Shirt am Ufer des Gardasees und genossen unsere
Pizza - dolce vita !